Anstellgut, Teigführung Gare. Sauerteig selbst herstellen – nicht nur für Profis
Ansetzen, füttern, auffrischen – einen Sauerteig selber herzustellen klingt kompliziert? Eigentlich ist das Gegenteil der Fall: Einzig Mehl und Wasser braucht es zur Herstellung einer eigenen Hefekultur, die sich durchaus auch in der heimischen Küche heranzüchten lässt. Getreu dem Motto «Gut Brot will Weile haben» ist der wichtigste Faktor allerdings Zeit: Ruhezeit für Anstellgut und Teig sowie Geduld beim Bäcker bzw. der Bäckerin. Als Belohnung winkt ein würzig-aromatisches Brot.
Eine lange Tradition
Schon im Alten Rom war die Herstellung von Sauerteig bekannt; ein römischer Gelehrter beschrieb, wie er Weizenkleie mit drei Tage altem Traubenmost vermengte und so eine Sauerteigkultur züchtete. Zwei Jahrtausende später hat sich am eigentlichen «Grundrezept» nichts verändert; die einzelnen Rezepturen wurden im Laufe der Zeit allerdings verfeinert. Vom «Roggensauer» bis hin zum «Weizensauer»: Sauerteig kann verschiedenste Formen annehmen.
Vom Mehl zum Mikroorganismus
Die Basis eines jeden Sauerteigs ist das Anstellgut, das aus Mehl und Wasser besteht, wobei oft Weizenmehl (z.B. Halbweissmehl), Roggenmehl, Dinkelmehl oder eine Mischung aus Weizenmehl und Roggenmehl verwendet wird. Helleres Mehl (niedrige Type-Nr.) liefert dem Anstellgut bzw. den darin enthaltenen Mikroorganismen weniger Nahrung als Mehle mit höherem Randschichten-Anteil (hohe Type-Nr.).
Das frisch angesetzte Anstellgut wird über mehrere Tage mit Mehl und Wasser angereichert bzw. «gefüttert» und an einen warmen Ort gestellt, wo man es ruhen lässt. Nicht zu unterschätzen ist die Triebfähigkeit des jungen Sauerteigs – deshalb lieber ein zu grosses als ein zu knappes Gefäss verwenden. Je nach Mehl kann nach 5 bis 10 Tagen zum ersten Mal gebacken werden; der Teig sollte auf der Oberfläche Blasen geschlagen haben, in der Seitenansicht wie ein Schwamm aussehen und angenehm säuerlich riechen. Nach dem Backen wird der Rest in den Kühlschrank gestellt und von da an nur noch wöchentlich gefüttert.
Wie entsteht der Sauerteig?
Ungeachtet der verwendeten Mehlsorte wird die Gärung im Sauerteig durch Milchsäure und Hefen aufrechterhalten, weshalb es wichtig ist, ein möglichst unbehandeltes Mehl zu verwenden. Die Milchsäurebakterien zersetzen den mehleigenen Zucker zu Milchsäure, Essigsäure und Kohlendioxid; die Hefe produziert bei ihrer Gärung geringe Alkoholmengen, die im Anschluss in Essigsäure umgewandelt werden.
Dank der Milchsäure geht der Teig auf; reine Roggenmehl-Brote gelingen sogar nur dank Sauerteig. Erst die Säure-Bestandteile machen das Roggenmehl backfähig, ohne diese Substanzen bleibt das Brot flach. Teilweise wird bereits im Anstellgut Joghurt verwendet, um die Milchsäurebakterien zu unterstützen und diesen Effekt zu verstärken. Die Essigsäure ist der Namensgeber und Grund für den «sauren» Geschmack des Sauerteigbrots, das Kohlendioxid sorgt für ein locker-luftiges Inneres; der geringfügige Alkoholanteil hingegen ist nach dem Backprozess verflogen.
Weizensauer als milde Variante
Einen eher milderen, weniger sauren Geschmack hat der Weizensauer, in Italien und dem Südtirol auch unter «Lievito Madre» (übersetzt «Mutterhefe») bekannt. Bei dieser Art des Sauerteigs wird die Fermentation durch die Zugabe von Honig, Olivenöl oder Hefewasser (auch Wildhefe oder Fermentwasser genannt) initiiert bzw. verstärkt. Auch diese Form des Anstellguts wird nach der ersten Gärungsphase wöchentlich mit Mehl, Wasser und den genannten Zusätzen vermengt. Wer sich gut um seinen Sauerteig sorgt, wird ein Leben lang mit ihm backen können.
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